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Die Mendelbahn - Von Kaltern durch die Weinberge auf den Mendelpaß

DEEF / Dr. Michael Populorum: Bericht Mendelbahn in Kaltern, SüdtirolAls ca. 10-jähriger war der Autor dieser Zeilen zum ersten Mal auf dem Mendelpaß - damals mit Großmutter Gusti, Mutter Ingrid und Tante Rosi aus Selker (Mühlviertel), allerdings nicht auf Schienen, sondern auf der abenteuerlichen, serpentinenreichen Mendelpaßstraße, auf die uns Busunternehmer  Christoforetti höchstpersönlich in schwungvoller Fahrt beförderte. Dabei ist die Strasse, so spektakulär sie auch erscheinen mag, erstens deutlich jünger als die Bahn und verblasst auch im Vergleich der technischen Daten und der Leistung, die damals bei der Errichtung zu erbringen waren, deutlich hinter der Bahn.

Was für die Bozner die Rittnerbahn ist für die Überetscher die Mendelbahn - in wenigen Minuten - 12, um genau zu sein -  geht es hinauf auf den Mendelpaß, die Hitze und die Sorgen des Alltags kann man schnell und einfach hinter sich lassen. Den Reisenden war bis 1934 auch noch das Vergnügen gegönnt, nach der Auffahrt auf die Mendel in den Zug nach Dermulo (Nonstal) umzusteigen und von dort nach Trient zu reisen. Ein klassischer "Giro", eine Rundreise war also möglich.

Ursprünglich bestand die Mendelbahn aus 2 Teilstrecken, nämlich einer Adhäsionsbahn als Verbindungsbahn vom Bahnhof Kaltern (Endstation Überetscher Bahn) nach St. Anton und der heute noch bestehenden Standseilbahn auf den Mendelpass. Die Adhäsionsbahn wurde gemeinsam mit der Überetscher Bahn 1963 stillgelegt, der Personentransport wird durch Busse der SAD abgewickelt. Das Trassé der Überetscherbahn wird großteils als Radweg genutzt und erfreut sich bei Radfreunden (Einheimischen wie Touristen) großer Beliebtheit. Aktuell (2011) wird ernsthaft zumindest eine partielle Wiedererrichtung der Überetscher Bahn diskutiert.

Die Mendelbahn war übrigens die 1. elektrisch betriebene Standseilbahn Österreichs und galt dazu noch als die steilste Standseilbahn auf dem europäischen Festland und als die längste Seilbahn überhaupt weltweit.

DEEF / Dr. Michael Populorum: Bericht Mendelbahn in Kaltern, Südtirol

War die Mendelbahn noch in den 1980er Jahren einstellungsgefährdet, so präsentiert sich die Bahn heute als touristisches Highlight Südtirols, dessen Besuch sich immer wieder lohnt.

Anreise: Mit dem Bus der SAD von Bozen bis Kaltern (halbstündlich), dann Umstieg in Citybus bzw. auch durchgehende Kurse von Bozen zur Talstation in Kaltern St. Anton (stündlich). Tip: Die "Mobilcard" eignet sich optimal. Erhältlich für 3 oder 7 Tage (mit oder ohne Museen oder Fahrrad), gültig auf allen Eisenbahnstrecken und Buslinien Südtirols sowie einiger Bergbahnen (u.a. Rittnerbahn, Mendel). Kostet für 3 Tage (2011) 18.- Euro pro Person

DEEF / Dr. Michael Populorum: Bericht Mendelbahn in Kaltern, Südtirol

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Sehr gute Busverbindungen in Südtirol durch die SAD in Ergänzung der häufig verkehrenden Zugverbindungen - Busbahnhof Bozen Die Busse verkehren als Ersatz für die 1963 eingestellte Zugverbindung vom Bahnhof Kaltern der Überetscherbahn direkt zur Talstation der Mendelbahn in Kaltern St. Anton (510 m über Adria)

Ein paar Fakten zur Mendelbahn (Funicolare della Mendola)

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Beginn der Bauarbeiten: 4. August 1902 durch die Bozner Firma Guschelbauer, täglich von 6 Uhr früh bis 6 Uhr abends waren mehrere Hundertschaften Arbeiter im Einsatz

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Eröffnet: 19. Oktober 1903

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Zweck: Ursprünglich militärische Nutzung (Angrenzendes Nonstal Grenze zu Italien) sowie touristische Nutzung (Sommerfrische). Heute primär Tagestourismus, der mondäne Tourismus der Belle Epoque auf der Mendel ist ja seit 1919 (Annektierung Südtirols durch Italien) Geschichte

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Eigentümer/Errichter/Betreiber: Ursprünglicher Eigentümer AG Überetschbahn, Betreiber k.k. priv. Südbahngesellschaft. Seit 1982 erfolgt die Betriebsführung der Mendelbahn durch das südtiroler Nahverkehrsunternehmen SAD Nahverkehr AG (betreibt auch die Vinschgaubahn, Rittnerbahn, Pustertalbahn sowie das Autobusnetz in Südtirol).

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Errichtungskosten: 900.000 Kronen

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Fahrgäste: Bereits im 1. Betriebsjahr 55.000 Fahrgäste, Rückgang nach 1. Weltkrieg (Annektierung durch Italien, Wirtschaftskrise, Konkurrenz Automobil / Bau der Strasse auf den Mendelpaß)

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Schienen, Fahrzeuge, seilbahntechn. Ausrüstung: von Roll´sche Eisenwerke Bern

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Typus/Traktion: Standseilbahn, elektrisch, Stromversorgung durch das Novellawerk im Nonstal

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Spurweite: Meterspur 1000 mm, eingleisig, in der Mitte der Strecke 116 m lange automatische Ausweiche

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Streckenlänge: 2,370 km, 5 Kurven

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Höhe der Talstation in Kaltern St. Anton: 510 m

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Höhe der Bergstation (mit Restaurant) am Mendelpass: 1.364 m

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Höhendifferenz: 854 m

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Max. Neigung: 64 Prozent

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Seit 2009 Zwischenstation für die Wanderer des Kalterer Höhenweges

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Fahrzeuge: Ursprünglich Holzaufbau der beiden Wagen, Kapazität 52 Personen je Wagen; 1965 Umbau der Wagen, die neue Metallkonstruktion gewährt Platz für je 70 Personen. Im Zuge der Generalsanierung 1984-1988 (die Strecke war wegen gravierender Sicherheitsmängel 1983 gesperrt worden) neue Wagen für je 75 Personen. Ab 2009 Wagen der 4. Generation im Einsatz

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Die Fahrzeit: Ursprünglich 32 Minuten, entspricht 1,2 m pro Sekunde. Seit der Generalsanierung 1984-1988 Fahrzeit nur mehr 12 Minuten (4 m/sek.)

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Novität 1903: Elektrische Signal- und mobile Telefonanlage

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Anschlüsse/Übergänge: Die Talstation der Mendelbahn in Kaltern St. Anton war ursprünglich durch eine Adhäsionsbahn mit der Endstation der Überetscher Bahn (Bozen-Eppan-Kaltern) verbunden. Dieser Streckenabschnitt wurde 1963 gemeinsam mit der Überetscher Bahn stillgelegt. An der Bergstation bestand bis 1934 Anschluß an die Lokalbahn Dermulo - Mendel, auch Nonsbergbahn genannt. Dem "Genußreisenden von damals" war es also vergönnt, einen Giro, eine Rundreise Trient-Bozen > Überetscherbahn nach Kaltern > Mendelbahn Adhäsion nach St. Anton > Mendelbahn auf den Mendelpass > Lokalbahn Dermulo-Mendel nach Dermulo und von dort mit der Nonstalbahn (heute Lokalbahn Trient - Male) nach Trient zu fahren. Davon kann der Reisende von heute leider nur mehr träumen oder den Bus nehmen...

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Wagen Nummer 2 (4. Generation seit 2009) erreicht die Talstation in Kaltern St. Anton auf 510 m ü.d.A. Blick vom bergwärts fahrenden Wagen zurück auf die Talstation mit gelben Kran im Vordergrund
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Eine "Klappbrücke" über die Trasse kurz nach Verlassen der Talstation.
Rechts das talseitige Portal des unteren Tunnels mit der Inschrift über dem Portal "Mendelbahn erbaut 1902-1903 von der Actien-Gesellschaft der Ueberetscherbahn nach dem Projekte des Ingenieur Emil Strub Bauunternehmung Anton Guschelbauer"

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Kreuzung in der Mitte der Strecke; Blick zurück mit "Grossem Viadukt"

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Der obere Tunnel, talseitiges Portal Gleich ist die  Bergstation erreicht
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Die Bergstation auf 1.364 m Höhe mit Restauration. Hinter dem Gebäude (rechtes Foto)  entdeckt man diese original erhaltene Holzveranda. Von der Bergstation ging es bis 1934 weiter mit der Lokalbahn Dermulo-Mendel ins Nonstal

Besondere Kunstbauten:

Großer Viadukt: 110 m lang, 16 m hoch, 7 gewölbte Öffnungen, insgesamt 6000 Kubikmeter Stein/Mauerwerk verbaut

Kleiner Viadukt: 50 m lang, 2 gewölbte Öffnungen, 200 Kubikmeter Beton

Tunnel 1: 69 m Länge

Tunnel 2: 70 m Länge

2 Zugbrücken im Anfangsbereich nahe der Talstation

Adhäsionsstrecke Kaltern Bahnhof - Kaltern St. Anton: Länge 2,2 km, Höhendifferenz 105 Meter, Stärkste Neigung 62 Promille. Ist als Teil der Überetscher Bahn (eröffnet 1898) zu sehen., welche eben 1903 zur Talstation der Mendeldrahtseilbahn (Standseilbahn) verlängert wurde. Die Strecke ist ebenso normalspurig wie die Überetscherbahn und war von Beginn an (noch vor dem Rest der Überetscher Bahn) elektrifiziert (ursprünglich 1.100 Volt Gleichstrom). Die Streckenführung ist heute noch gut erkennbar und wird vom Strassenverkehr genutzt.

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In der Talstation in St. Anton gibt es ein Cafe und Infotafeln mit Foto zur Historie der Mendelbahn. Darunter 2 historische Aufnahmen von der Verbindungsbahn Bahnhof Kaltern - Kaltern St. Anton Talstation Mendel Drahtseilbahn.

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Das denkmalgeschützte Bahnhofsgebäude in Kaltern ist sehr gut erhalten und auch renoviert, allerdings durch die Lüftung einer Tiefgarage? direkt vor dem ehem. Hausbahnsteig in seiner Ensamblewirkung völlig verunstaltet. Welche Kulturbanausen lassen so etwas zu? Im Objekt u.a. ein Jugendclub mit Bar In der ehemaligen Remise (jetzt  Busdepot) liegen noch die Schienen der Überetscherbahn

Linktips / Literatur:

Offizielle Webseite SAD: www.sad.it

Übersicht über alle (süd-) tirolerischen Bahnen bei den "Tiroler Museumsbahnen" Innsbruck: www.tmb.at

DEEF: Vom Eisacktal ins Grödental - Die ehem. Grödnerbahn (Grödentalbahn) von Klausen nach Plan nächst Wolkenstein >>>

DEEF: Zur Brennerbahn bzw. Brennerbasistunnel: http://www.dokumentationszentrum-eisenbahnforschung.org/brennerbasistunnel.htm

DEEF: Brennerbasistunnel Süd (Baustellenvisite Franzensfeste): http://www.dokumentationszentrum-eisenbahnforschung.org/brennerbasistunnel_franzensfeste.htm

DEEF: Zu Fuß entlang der alten Strecke vom Brenner bis Gossensaß (ein Reader in 4 Teilen) http://www.dokumentationszentrum-eisenbahnforschung.org/brennerbahn_bahnhofbrenner.htm

Alle Fotos dieser Seite: DEEF / Dr. Michael Populorum, Lumix TZ 4

  DEEF / Dr. Michael Populorum: Bericht Mendelbahn in Kaltern, Südtirol  

Der reizvolle Marktplatz von Kaltern

>>> DEEF: Eisenbahnarchäologische Wanderung Überetscherbahn Bozen-Kaltern >>>

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Bericht von: Dr. Michael Populorum, Chefredakteur DEEF;  Erstmals online publiziert: 16. Oktober 2011; Änderungen: -

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Last modified  Sonntag, 24. Mai 2015 22:13:41 +0200
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