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Die Marmorbahnen am Salzburger Untersberg oder einfach: "S´Wagerl" - Teil 1 "Intro der persönlichen Art"

Schwellen des ehemailgen Wagerls (Reißzugs) zum Mayrbruch in der Linkskurve. Die Marmorbahnen am Untersberg in Fürstenbrunn - DEEF / Dr. Michael Populorum

Im Jahr 1968 übersiedelten wir von der Stadtwohnung in eine neue Wohnung nach Fürstenbrunn. Ich war damals knappe 11 Jahre alt und die Gegend mit den vielen Wäldern, Wiesen und natürlich dem Berg, dem Untersberg, war wie geschaffen für Buben in meinem Alter. Kein Herumhängen vor der Glotze, kein ödes Rumtippen mit dem Handy oder IPod oder gar sinnloses Chatten oder Facebooken, nein, wir hatten noch eine richtige Jugend mit viel Abenteuer in gesunder Umgebung.

Schon bald entdeckten wir die Brüche am Untersberg und damit verbunden den "Reisszug" auf den "Mayrbruch", der damals noch voll betriebsfähig in der Talstation stand. Das Wagerl war ein Holzwagen ähnlich dem alten Reißzug auf die Festung Hohensalzburg. Ich nannte das Gerät schlicht und einfach "S´Wagerl". Die Schienen lagen noch komplett und auch oben am Bruch waren die Häuser und die Lorenbahnen sowie die Höhenbahn über die "Teufelsschlucht" zu den anderen Brüchen so, also ob sie jeden Augenblick wieder in Betrieb gehen würden.

Der Anstieg war steil, aber das machte uns nichts aus und wir hatten ja auch alle Zeit der Welt. Beim ersten Mal, wo wir da hinaufgingen, weihte mich Hermann, ein 2 Jahre älterer Freund und Nachbar, in die Kunst des Lianenrauchens ein. Ein Glück, dass wir im trockenen Sommer dabei nicht den halben U-Berg abfackelten. Wer raucht eigentlich heute noch Lianen? Ich bin jeden Tag aufs Neue über das Privileg der früheren Geburt dankbar! Telefone oder Funkgeräte hatten wir übrigens auch keine dabei, trugen keine Helme (auch nicht beim Radeln) und auch auf sonstige Protektoren und andere Hilfsmittel verzichteten wir gerne...

Nach der leichten Linkskurve wurde die Strecke etwas flacher und je 1 Haus links und rechts der Schienen flankierten die Bahn des Wagerls. Im linken Haus entdeckten wir einige Fotos, darunter eines, wo eine Nachbarin, die früher im Bruch arbeitete, in sehr freizügiger Weise abgebildet war - eine Rose steckte in ihrem "Tunnelportal" ("Galeria Vaginalis"). Von dieser Zwischenstation waren es nur mehr ein paar Minuten hinauf zu den Häusern des Bruchs.

Reste der Seilführungsrolle (Umlenkung) des Wagerls. Die Marmorbahnen am Untersberg in Fürstenbrunn - DEEF / Dr. Michael Populorum

Rechts war ein Gleis mit einer Art Rampe, wo offensichtlich Abraum den Hang hinuntergekippt wurde. Maschinenhaus, Wohn- und Arbeitshäuser, dazwischen Schienen und eine kleine Drehscheibe, die Erinnerungen werden wach, wo ich jetzt nach Jahrzehnten diese Zeilen aufnotiere. Dahinter der Bruch, wo der berühmte Untersberger Marmor gewonnen wurde und an anderen Stellen noch heute abgebaut wird. Von diesem "Mayrbruch" (nach dem Besitzer Baron Mayr-Melnhof) führte eine Höhenbahn isohpysenparallel nach rechts zur sogenannten "Teufelsschlucht" (von uns Eingeborenen so genannt). Dort gab es direkt am Felsen beim Wasserfall eine Drehscheibe, um die Wagerl dann im rechten Winkel nach rechts über eine Brücke und direkt am Felsen entlang auf Stützmauern zu den westlichen Brüchen zu führen. Für die Fussgänger (Arbeiter) gab es eine kleine Abkürzung, nämlich eine abenteuerliche Hängebrücke über die Schlucht - selbst damals hatte ich sie nie benutzt und ging immer den Schienen lang. Auch keiner meiner Freunde wagte sich da hinüber.

Einmal war ich wieder oben am Bruch, mit einem Mitschüler vom Akademischen Gymnasium, er hiess auch Michael. Zwischenzeitlich - es waren vielleicht 2 Jahre seit dem Erstbesuch vergangen - waren einige Fenster eingeschlagen/eingeschossen worden von wilderen Kameraden offensichtlich, die Loren fingen an zu rosten. An diesem Hochsommernachmittag fuhren wir mit den Loren herum und mt einer gelangten wir über die kleine Drehscheibe zur Rampe und ehe wir es uns versahen sauste die Lore über die Rampe hinaus. Mann, welch ein Schauspiel! Mit lautem Getöse und funkenstiebend sauste die Lore auf den Schienen des "Wagerls" zu Tal und bei der Kurve schoss sie geradeaus weiter hinein in den Wald. Um es vorwegzunehmen: diese heute wie zufällig unten im Wald liegende Lore (siehe Foto) ist das einzige noch vorhandene Relikt ihrer Gattung. Das Nochvorhandensein ist also den beiden Michaels zu danken.

Dann ging ich eine zeitlang gar nicht mehr hinauf, Reisen in fremde Länder lockten. Dann war der Bruch plötzlich wieder in den Schlagzeilen, als eine neue Generation von Jugendlichen dort oben Paintball-Aktivitäten abhielten, was zu einem Grossaufgebot an Polizei führte, da Anrainer offenbar an Aktivitäten der RAF oder anderer Terroristen dachten. Der Mayrbruch war als "Ghosttown" ein Begriff für zahlreiche Jugendliche, der Marmorbruch mit unzähligen Graffities "verschönert".

Ich ging daraufhin wieder einmal hinauf und machte auch ein paar Fotos - es dürfte so um die Jahrtausendwende gewesen sein. Alle Häuser standen noch, auch Schienen gab es noch. Und ich ging wieder via Drehscheibe über die Teufelsschlucht in den anderen Bruch rüber und dann über die Schiabfahrt zurück nach Hause.

Einzige noch in Situ vorhandene Lore im Wald, die ca. 1970 funkenstiebend in die Tiefe rauschte. Die Marmorbahnen am Untersberg in Fürstenbrunn - DEEF / Dr. Michael Populorum            Die Fundamente bei der Einfahrt in die Bergstation. Die Marmorbahnen am Untersberg in Fürstenbrunn - DEEF / Dr. Michael Populorum            Brücke der Höhenbahn über die "Teufelsschlucht", im VG nicht sichtbar die Drehscheibe. Die Marmorbahnen am Untersberg in Fürstenbrunn - DEEF / Dr. Michael Populorum

Dann wurde es wieder still um den Bruch, bis mir vor einiger Zeit ein kleiner Artikel in der Zeitung auffiel, wo stand, dass der junge Baron jetzt die Häuser und alle Anlagen oben im Bruch dem Erdboden gleichgemacht hat, damit der Bruch kein Anziehungspunkt mehr für "Abenteuerlustige" ist und somit Unfällen vorgebeugt wird.

Da ich im selben Zeitraum begann, mein schon immer für die Eisenbahn vorhandenes Interesse zu verstärken und als Eisenbahnforscher Themen zu recherchieren und zu publizieren, liess diese Meldung in mir den schon vorher vage vorhandenen Entschluss reifen, eine kleine Dokumenation über das Wagerl, über die Marmorbahnen am Untersberg zusammenzustellen. Ein erstes "Googeln" brachte keine brauchbaren Treffer und auch literaturmässig war nichts vorhanden. Erste Sondierungen deuten an, dass es nur mehr wenige Informationen oder Fotos gibt.

Übersichtsskizze zur Situation der Fürstenbrunner Marmorbrüche ( Quelle: Dr. Christian Uhlir, www.untersberg.net  )

Da gilt es schnell zu handeln, um auch eventuelle Zeitzeugen noch um Mithilfe bitten zu können. Eine Herausforderung also, der ich mich aber gerne stelle, ist doch "s´Wagerl" ein Teil meiner eigenen Geschichte, meiner Jugend. Und Herzblut versetzt bekanntlich Berge!

>>> Zum Teil 2: Die Marmorbrüche am Untersberg - ein kurzer allgemeiner Überblick (in Ausarbeitung)

>>> Zum Teil 3: Die Begehung  2000 - Einige Fotos (in Ausarbeitung)

>>> Zum Teil 4: Die aktuelle Situation 2010 - Fotodoku einer Begehung im November 2010 (in Ausarbeitung)

>>> Zum Teil 5: "Informations-Speicher" aller verfügbaren Informationen zum Thema "Marmorbahnen am Untersberg" (Streckenlänge, Spurweite, Neigung, Antrieb ...in Ausarbeitung)

     Spurweitenvermessung der Gleise der Höhenbahn. Die Marmorbahnen am Untersberg in Fürstenbrunn - DEEF / Dr. Michael Populorum   

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Bericht von: Dr. Michael Populorum, Chefredakteur DEEF;  Erstmals online publiziert: 14. November 2010; Änderungen: -

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Last modified  Sonntag, 24. Mai 2015 22:13:39 +0200
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