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Seit über 100 Jahren hinauf auf Innsbrucks Aussichtsloge - die Hungerburgbahn.
Teil 1: Prolog & "Die alte Lady der
Belle Epoque bis 2005"

Prolog:

Jugendstilplakat Innsbruck und Hungerburgbahn. Quelle: (1). DEEF/Dr. Michael Populorum, Salzburg Austria3 Mal - so ich mich zumindest erinnere - war ich auf die Hungerburg, diese tolle Aussichtsloge auf einem Plateau über Innsbruck am Fuß der Nordkette gelegen, hinaufgefahren. Das 1. Mal 1976, als ich nach der Matura und vorm Einrücken zum Militär mit meinem Schulkollegen Donat mit dem Österreichticket 2 Wochen per Zug die Heimat bereiste. Das 2. Mal 2009, als ich beim Jahrestreffen des VÖWA - Verband Österreichischer Wirtschaftsakademiker - zu Gast in Innsbruck war. Da hatten wir abends ein Galadinner auf der Seegrube und nahmen für die Anfahrt zur Seilbahn die Hungerburgbahn. Und das 3. Mal vor wenigen Tagen im Frühjahr 2011, an einem schönen und schon warmen Frühlingstag, da hatte ich nach dem Besuch der Bibliothek noch etwas Zeit für was Privates.

Das Verkehrsmittel war dabei aber immer ein anderes gewesen, Abwechslung also. Zuerst 1976 mit der alten Hungerburgbahn, die mir damals heimatliche Gefühle vermittelte, war sie doch so ähnlich und gemütlich wie die mir wohl bekannte Festungsbahn in Salzburg.

Dann 2009 mit der als neues Wahrzeichen von Innsbruck titulierten und architektonisch gestylten neuen Hungerburgbahn, sehr interessant zumindest von der Technik her und vom Styling, aber eher kühl und Feeling wie in einer U-Bahn.

2011 schlussendlich (was  nicht heissen soll, ich fahre da nicht mehr hinauf, im Gegenteil) dann mit dem Bus J, um eine Fotodoku von der neuen und alten Strecke (was halt noch von ihr übrig ist) zu machen.

Ich hätte natürlich auch 2011 mit der Bahn fahren können, aber erstens wollte ich mal die Busroute kennenlernen und zweitens hatte ich eine Tagesnetzkarte der IVB gelöst und die neue Hungerburgbahn ist da traurigerweise nicht mehr inkludiert. Und billig ist die Fahrt wahrlich nicht mit der Bahn.

Und ehrlich gesagt (der Conclusio vorgreifend), so futuristisch und technisch wie architektonisch interessant ich die neue Bahn auch finde, es schmerzte mich sehr, sehen zu müssen, wie mit der alten Lady, der Hungerburgbahn 1, umgegangen wurde. Wie ein liebgewonnenes Kulturgut einfach weggeschmissen wurde - gegen den Willen offenbar der Mehrheit der Bürger der Stadt Innsbruck und unter Polizeischutz. Bleibt nur zu hoffen, daß nicht ein Politiker demnächst auf die Idee kommt, vom  "Goldenen Dachl" die Schindl runterzureissen und sie durch Glasplatten mit Nanobeschichtung zu ersetzen. Damit man dann großstädtisch ernst genommen wird....

Die Fakten:

Hungerburgbahn 1 ("Die alte Lady der Belle Epoque")

Hungerburgbahn Innsbruck. Standseilbahn 1906-2005. DEEF / Dr. Populorum. Dokumentationszentrum für Europäische Eisenbahnforschung. Salzburg/Österreich

Einer der beiden Wagen der alten Hungerburgbahn Generation 3 konnte vor der "Politik der verbrannten Erde" gerettet werden. Standort Jenbach Achenseebahnhof, Zustand 2010.

Das Plateau der Hungerburg (Hochinnsbruck) mit dem tollen Blick auf die Stadt sowie Patscherkofel und Serles war schon immer ein begehrtes Ausflugsziel der Innsbrucker und so nimmt es nicht Wunder, dass schon vor über 100 Jahren die Idee aufkam, den Aufsteig mittels einer Bahn zu erleichtern. Ing. Josef Riehl, der Tiroler Eisenbahnpionier, baute mit seiner Firma auf eigene Rechnung die erste Bahn auf die Hungerburg, die dann ein Jahr später um 660.000 Kronen vertragsgemäss an die Lokalbahn Innsbruck Hall i. Tirol verkauft wurde. Die gleichzeitig genehmigte Kleinbahn vom Südbahnhof zur Talstation an der damaligen Kettenbrücke wurde jedoch nicht errichtet. Mehrfach in der fast 100 jährigen Geschichte der alten Hungerburgbahn gab es Umbauten und Neuerungen - insgesamt 3 Fahrzeuggenerationen waren im Einsatz (1906-1957, 1958-1982, 1982-2005)

Technische Angaben (nach den unten zitierten Internetquellen - bei unterschiedlichen Angaben werden alle Quellen genannt und in einer späteren Phase anhand von Printmedien überprüft):

Betriebsjahre: 12. September 1906 bis zum 8. Dezember 2005

Eigentümer / Betreiber: Ing. Josef Riehl - Lokalbahn Hall in Tirol - Innsbruck - IVB

Höhe Talstation (am ehem. Rundgemälde im Ortsteil Saggen): 572 m

Höhe Bergstation auf der Hungerburg: 858 m

Höhendifferenz: 286 m

Streckenlänge: 824 m (1) bzw. 839 m (2) bzw. 825 m (3); Durch einen Umbau der Bergstation 1957/58 verringerte sich die Streckenlänge um 15 m (3)

Grösste Neigung: 555 Promille (1) bzw. 487 Promille (2)

Durchschnittlich Neigung: 360 Promille (3)

Spurweite / Spursystem: Meterspur wie die Innsbrucker Strassenbahn (1000 mm), Riggenbachsches System mit einer Abt´schen Ausweiche genau in der Streckenmitte

Antrieb, Fahrzeit, Kapazität / Förderleistung: Antrieb und Führerstand in der Bergstation. 1. Generation: Die elektrische Anlage stammt von der AEG und besitzt einen Wechselstrommotor mit 90 PS. Geschwindigkeit 1,2 m/s (Quellen 1, 3), Fahrzeit beträgt 11 Minuten, 300 Personen / Stunden. Generation 2: Ersatz des alten Wechselstromantrieb durch Gleichstromantrieb  (260 PS), wobei - erstmals bei einer Personenseilbahn - der Gleichrichter beim Bremsen Wechselstrom ins Netz zurückspeist. Der alte Antrieb wird für den Notbetrieb beibehalten. Weitgehende Automatisierung des Fahrbetriebs. Maschinenanlage Waagner-Biro in Wien, elektrische Ausrüstung wieder von der AEG (1). Neue Kapazität 1.100 Personen pro Stunden ab 23. 7. 1958 bei 4 m/s und Fahrzeit 8 Minuten (3), Quelle 2 nennt eine Personenanzahl pro Kabine von 92 Personen. Als Geschwindigkeit werden 4,5 und 2,5 m/s genannt. Für die Leistung des Antriebs Generation 2 werden 190 kW genannt. Im Herbst 1982 gehen die Kabinen der 3. Generation in Betrieb.

Fahrzeuggenerationen: 3 Generationen. 1. Generation: geliefert von der Rollschen Eisengießerei in Bern (2 Holzkastenwagen mit eisernem Untergestell und je fünf Abteilen). 2. Generation: Ganzstahl-Wagen, Fahrgestelle Waagner-Biro, die Aufbauten mit großen Fenstern und Dachverglasung von Gräf & Stift.

Stationen: Ursprünglich 2, die Berg- und Talstation. Am 31.7.1987 Eröffnung der Zwischenstation "Alpenzoo". Da diese nicht in der Mitte der Strecke lag, musste bei einer Bedienung der Station der andere Wagen auf freier Strecke überhalb der Station bei der Ausweiche halten.

Besondere Bauwerke: Eiserne Fachwerkuntergurtbrücke über den Inn, denkmalgeschützt. Länge 158 m. "Stampfbeton-Viadukt", denkmalgeschützt, Länge 160 Meter, Höhe bis zu 13 Meter (durchschnittliche Höhe 12 m, Quelle 2). 15 Bögen mit einer lichten Weite von 6 Metern.

Sonstige Anmerkungen zu Umbauten etc.:  Umbauten in den Jahren 1930, 1933, 1949, 1951. 1954 Umbau der Talstation (heutiger Zustand). Generalumbau (und neue Kabinen) 1957/58 mit Neubau und Versetzung der Bergstation. Weitere Änderungen siehe vorhin.

Heutiger Zustand: Die beiden vorhin genannten besonderen Bauwerke sind vorhanden und stehen unter Denkmalschutz, der aber wie man weiß oftmals zum Spielball der Politik wird - so schnell er "verhängt" wird so schnell wird er wieder aufgehoben. Dafür gibt es unzählige Beispiele, nicht nur in Österreich. Die Profitgier hat eben ihre eigenen Gesetze. Die beiden denkmalgeschützten Bauten präsentierten sich bei einer Streckenbegehung im Frühjahr 2011 in einem optisch erkennbar guten Zustand. Die Talstation ist leerstehend ebenso wie das daneben platzierte Rondell für das Rundgemälde (das wurde ja auch unter grossem finanziellem Aufwand auf den Bergisel transportiert und es gab wieder massive Bürgerproteste - aber was zählt schon der Bürger im Vergleich zum schnellen Reibach?).

Von der alten Bergstation sieht man nichts mehr da sie der neuen Station weichen musste. Die Mittelstation ist geschleift. Die Gleise sind entfernt, die Strecke wächst langsam zu. Von den beiden Wagen wurde einer sofort - nach dem Motto der verbrannten Erde - verschrottet. Der zweite konnte gerettet werden und steht momentan in Jenbach beim Bahnhof der Achenseebahn.

Fotos:

Hungerburgbahn Innsbruck. Standseilbahn 1906-2005. DEEF / Dr. Populorum. Dokumentationszentrum für Europäische Eisenbahnforschung. Salzburg/Österreich

Hungerburgbahn Innsbruck. Standseilbahn 1906-2005. DEEF / Dr. Populorum. Dokumentationszentrum für Europäische Eisenbahnforschung. Salzburg/Österreich

Die Brücke macht einen guten Eindruck Talstation mit Brücke

Hungerburgbahn Innsbruck. Standseilbahn 1906-2005. DEEF / Dr. Populorum. Dokumentationszentrum für Europäische Eisenbahnforschung. Salzburg/Österreich

Hungerburgbahn Innsbruck. Standseilbahn 1906-2005. DEEF / Dr. Populorum. Dokumentationszentrum für Europäische Eisenbahnforschung. Salzburg/Österreich

Talstation strassenseitig Buffet gib es bei der neuen Bahn keines mehr :-(

Hungerburgbahn Innsbruck. Standseilbahn 1906-2005. DEEF / Dr. Populorum. Dokumentationszentrum für Europäische Eisenbahnforschung. Salzburg/Österreich

Hungerburgbahn Innsbruck. Standseilbahn 1906-2005. DEEF / Dr. Populorum. Dokumentationszentrum für Europäische Eisenbahnforschung. Salzburg/Österreich

Das Gebäude macht keinen schlechten Eindruck und sollte wieder belebt werden Daten der letzten Pflegemassnahmen an der denkmalgeschützten Innbrücke

Hungerburgbahn Innsbruck. Standseilbahn 1906-2005. DEEF / Dr. Populorum. Dokumentationszentrum für Europäische Eisenbahnforschung. Salzburg/Österreich

Hungerburgbahn Innsbruck. Standseilbahn 1906-2005. DEEF / Dr. Populorum. Dokumentationszentrum für Europäische Eisenbahnforschung. Salzburg/Österreich

"Wahlen ändern nicht sonst wären sie verboten. Nur wenn wir unser Schicksal selbst in die Hand nehmen, können wir die herrschenden Zustände verändern!"

Ob sich dieses Plakat an der Eingangstür der Talstation auf die politische Machtdemonstration beim Bau der neuen Bahn bezog?

"Blick durch´s Schlüsselloch" der Talstation

Hungerburgbahn Innsbruck. Standseilbahn 1906-2005. DEEF / Dr. Populorum. Dokumentationszentrum für Europäische Eisenbahnforschung. Salzburg/Österreich

Der alte denkmalgeschützte Stampfbetonviadukt wirkt wie ein römisches Aqädukt.

Rechts der Zustand auf dem Viadukt im Frühjahr 2011

Hungerburgbahn Innsbruck. Standseilbahn 1906-2005. DEEF / Dr. Populorum. Dokumentationszentrum für Europäische Eisenbahnforschung. Salzburg/Österreich

Hungerburgbahn Innsbruck. Standseilbahn 1906-2005. DEEF / Dr. Populorum. Dokumentationszentrum für Europäische Eisenbahnforschung. Salzburg/Österreich

Hungerburgbahn Innsbruck. Standseilbahn 1906-2005. DEEF / Dr. Populorum. Dokumentationszentrum für Europäische Eisenbahnforschung. Salzburg/Österreich

Im Bereich der "Abt´schen Ausweiche" über der ehem. Haltestelle Alpenzoo, die sich ca. 50 m unterhalb der auf die Strecke gestürzten Bäume befand

Hungerburgbahn Innsbruck. Standseilbahn 1906-2005. DEEF / Dr. Populorum. Dokumentationszentrum für Europäische Eisenbahnforschung. Salzburg/Österreich

Hungerburgbahn Innsbruck. Standseilbahn 1906-2005. DEEF / Dr. Populorum. Dokumentationszentrum für Europäische Eisenbahnforschung. Salzburg/Österreich

Kilometerstein 0,5 km, der "gemeuchelt" langsam im Laub versinkt Blick von der ehem. Station Alpenzoo nach oben zur Ausweiche mit den umgestürzten Bäumen

Hungerburgbahn Innsbruck. Standseilbahn 1906-2005. DEEF / Dr. Populorum. Dokumentationszentrum für Europäische Eisenbahnforschung. Salzburg/Österreich

Hungerburgbahn Innsbruck. Standseilbahn 1906-2005. DEEF / Dr. Populorum. Dokumentationszentrum für Europäische Eisenbahnforschung. Salzburg/Österreich

Links der Blick von der ehem. Station Alpenzoo auf die Brücke und die Talstation. Oben: hier war die Station Alpenzoo, die Grundfläche ist noch erkennbar

Quellen / Weblinks:

(1) http://members.fortunecity.com/reisenge/TIROL/verkehr/hungerbb/hbb.htm (mit alten Ansichten von Innsbruck und der Hungerburgbahn)

(2) Wikipedia (je 1 Artikel über alte und neue Hungerburgbahn)

(3) Webseite des neuen Betreibers: http://www.nordkette.com/die-bahn/geschichte/die-hungerburgbahn.html

Jugendstilfoto oben Quelle 1 (kein Autor eruierbar)

Fotos DEEF / Dr. Michael Populorum (Panasonic Lumix DMC TZ4); hinsichtlich Aufnahmen von der alten Hungerburgbahn muss das Archiv von DEEF noch gesichtet werden

Teil 2: Die neue Hungerburgbahn ab 2005 >>>

           Hungerburgbahn Innsbruck. Standseilbahn 1906-2005. DEEF / Dr. Populorum. Dokumentationszentrum für Europäische Eisenbahnforschung. Salzburg/Österreich   

Teil 2: Die neue Hungerburgbahn ab 2005 >>>

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Bericht von: Dr. Michael Populorum, Chefredakteur DEEF;  Erstmals online publiziert: 23 April 2011; Änderungen: -

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Last modified  Sonntag, 24. Mai 2015 22:13:40 +0200
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