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DEEF-Blog 2016: Zum Fahrplanwechsel in Österreich 2016/2017

Alle Jahre wieder kommt das Christkind - aber davor noch der Fahrplanwechsel bei den Eisenbahnen in Europa. Morgen am 11.12. 2016 ändert sich wiederum einiges in den (meist nicht mehr vorhandenen) Kursbüchern. In Österreich ist man es ja gewohnt, dass lobhudlerisch von der Staatsbahn ÖBB jedes Mal zum Fahrplanwechsel gewaltige Fortschritte propagiert werden, leider ist die nüchtern analysierte Realität weit ernüchternder weil es immer auch Verschlechterungen gibt. Vor allem immer noch in Form von Streckenstilllegungen.

 

So auch heuer - die Gailtalbahn wird amputiert, die Züge fahren nur mehr bis Hermagor, zwar öfter (Stundentakt) und unter dem Marketingschmäh "S-Bahn", aber bis Kötschach-Mauthen muss man nun auf den Bus umsteigen. Ein Schlag ins Gesicht der Touristiker, denn Kötschach-Mauthen liegt am Drautalradweg, aber die Busse nehmen keine Fahrräder mit. Anstatt die von unseren Vorfahren schon angedachte Verlängerung der Gailtalbahn durch das Lessachtal nach Lienz oder Silian an der Drautalbahn zu verwirklichen oder eine Verbindung nach Oberdrauburg (ebenfalls an der Drautalbahn) herzustellen, wählt man wieder mal den Standard-Weg der ÖBB - abwirtschaften, einstellen, zusperren, abtragen.

 

Die ÖBB als Eisenbahneinstellungsunternehmen.

 

Desiro im Bahnhof Kötschach-Mauthen

 

Bei der heutigen Handschlagqualität diverser Manager und Politiker bleibt abzuwarten, ob die versprochene Elektrifizierung bis Hermagor tatsächlich bis 2019 erfolgt und ob auch ein Stundentakt als "S- Bahn" eingeführt wird.

 

Eine zweite Strecke in Kärnten wird dichtgemacht, die Rosentalbahn. S-Bahn bis Weizelsdorf, aber dann Sense anstatt den Verkehr zumindest vorerst wie vor einigen Jahren schon geplant bis Feistritz i.R. zu verlängern und dann später eine Reaktivierung bis Rosenbach zu verwirklichen. Das nun rote Bundesland Kärnten scheint für Eisenbahnen nicht mehr viel über zu haben, Geldmangel lasse ich nicht gelten!

 

Bahnhofsensemble Maria Elend an der Bahnstrecke durch das Rosental (auch Karawankenbahn)

 

Was passiert sonst noch so heuer?

Die meisten Intercitys in Österreich werden durch Railjetgarnituren ersetzt, vor allem auf der Westbahnstrecke und am Tauern. Das Reisen im Intercity war jahrelang bequem und die Innenstaltung der Waggons doch etwas mehr mit Wohnzimmeratmosphäre versehen als im nüchternen Railjet. Allerdings hat die Staatsbahn ÖBB die Intercitys systematisch kaputt gemacht - zuerst den Speisewagen weg, dann folgte der 1. Klasse Abteilwaggons mit Businessabteilen und zum Schluss gab es auch kein Kinderkino mehr - das sollte dem Railjet vorbehalten bleiben. So gesehen nehme ich selbst den Übergang auf die RJ-Kompositionen einfach hin und freue mich, dass ich als Österreichcard-Besitzer wieder ein gratis Business-Getränk serviert bekomme. Dass die Businessklasse mit gerade mal 6 Sitzen sehr überschaubar ist und ich mir schon die Frage stelle, wie denn bspw. beim EC 111 die Fahrgäste in der 1. Klasse dann Platz finden sollen wenn nun weniger Angebot da sein wird, das wird alles dann ab morgen beantwortbar sein. Vertrauen auf die Planungsqualität der ÖBB kann man natürlich nicht, ich erinnere da nur an die Einführung des morgendlichen Railjets von Innsbruck nach Wien, ab Salzburg um 7 Uhr. Der fuhr anfangs als ICE 1, die lange klassische Garnitur also, und war sehr gut ausgelastet, bis dann der RJ kam und statt dem ICE 1 ein nur halb so langer RJ (in Einzeltraktion) eingesetzt wurde. Nachdem in den Medien davon zu lesen war, dass bspw. Spitzenmanager der VOEST von Linz bis Wien in der 1. Klasse am Boden vor den Klos sitzend die Fahrt verbringen mussten, da begannen die "Unverantwortlichen" der ÖBB offenbar nachzuzählen und heute fährt der RJ in Doppeltraktion.

 

Intercity-Komposition in den Maiwiesen im Raum Wallersee, im Hintergrund der Salzburger Hausberg, der Untersberg

 

 

In Oberösterrich wird die S-Bahn eingeführt, es ist zu hoffen, dass nicht nur bestehende Linien und Verbindungen einfach nur als S-Bahn tituliert werden und sich sonst nichts ändert, sondern dass ein ordentlicher Takt neue Fahrgäste bringen wird und die Einnahmen dann für weitere Investitionen genutzt werden können. Bei zahlreichen Linien wie der Almtalbahn, der Mühlkreisbahn oder der Hausruckbahn stehen überhaupt Entscheidungen an, ob diese Linien das Land OÖ von den ÖBB übernehmen wird und wie die weitere Betriebsführung aussehen wird. Die Linien haben bei entsprechender Vermarktung sicher Potential, negativ wie immer natürlich die Tatsache, dass die ÖBB Infra als Verantwortliche für die Infrastruktur diese seit Jahrzehnten in bewährter Art und Weise verludern und verlottern liess.

 

Promotionplakat für die S-Bahn Steiermark im Grazer Hauptbahnhof

 

 

Auch in der Steiermark soll die S-Bahn ausgebaut werden, diesmal soll auch der Norden der grünen Mark mehr davon profitieren.

 

Die DB geben das Geschäft mit den Nachtzügen komplett auf, zahlreiche Linien werden von den ÖBB übernommen und als "Nightjet" vermarktet. Mal sehen, ob sich hier auch mal die Qualität zum besseren ändert, denn die Liegewagen und Schlafwagen haben den Charme der Kriegs- und Nachkriegsjahre nicht wirklich ablegen können.

 

Der Cityjet (CJ) ist schon auf zahlreichen Strecken in Österreich bei den Regionalverbindungen anzutreffen und es sollen noch weitere Garnituren angeschafft werden. Das kann ich mit Fug und Recht als positiv bewerten, die Züge sind modern, mit Tischen und Steckdosen versehen und wenn dann noch irgendwann (wie in Ungarn schon passiert) der WLAN auch bei den ÖBB Regionalzügen Einzug hält, dann kann man das Reisen nicht nur geniessen sondern auch dabei arbeiten.

 

ÖBB CityJet - in Salzburg aber bis auf weiteres ein Exote

 

 

In Salzburg wird dieser CJ wohl nicht fahren, sieht man von einem fallweise eingesetzten "Promotions-Fahrzeug" ab. In Salzburg verschläft man immer mehr den Anschluss an den modernen Öffentlichen Nahverkehr. Auch die für den Zentralraum Salzburg immens notwendige Regionalstadtbahn (RSB) bewegt sich keinen Millimeter - vor fast 2 Jahren wurde die Umsetzung beschlossen, aber nachdem der zwischenzeitlich völlig inakzeptable Salzburger Bürgermeister laufend dagegen querschiesst, tut sich nichts mehr und Salzburg versinkt immer mehr in Stau - Lärm und gesundheitsschädlichem Gestank.

 

Ja richtig, rechtzeitig zum Fahrplanwechsel werden natürlich die Fahrpreise wieder erhöht, moderat wie die Staatsbahner ausposaunen. Allerdings die Österreichcard Classic wird nun nach jeweiligen Steigerungen von jeweils 5% im Jahr 2014 und 2015 heuer um 8% angehoben - 18 Prozent Preissteigerung in 3  Jahren, das ist schon wohl heftig. Aber die zahlreichen Schlepperfahrten 2015/2016, freudig verkündet vom damaligen ÖBB General und heutigem Bundeskanzler Christian Kern, die wollen natürlich bezahlt werden - die Party is over aber jemand muss die Zeche zahlen!

 

Ich selbst werde natürlich auch noch vermissen, dass der ehem. EC 111/EC 110 jetzt als Railjet fahren wird und es kein Abteil mehr im Zug geben wird und auch keinen richtigen Speisewagen mehr. Und der IC 542 von Salzburg über Zell am See und Kitzbühel nach Innsbruck, der ja schon vor einigen Jahre gestutzt wurde (nur mehr 4 Waggons, nur mehr am Wochenende/Feiertag), der wird nun komplett Geschichte sein - dafür kommt irgendein Ersatz, der fährt aber von Wien kommend nicht mal mehr den Salzburger Hauptbahnhof an sondern über die Schleife in Gnigl und er fährt auch nur mehr bis Wörgl. "Herumdoktern" das können sie die Staatsbahner, von Konstanz wie in der Schweiz sind wir hier noch meilenweit entfernt.

 

Adieu, du herrlicher Zug durch eine der schönsten Gegenden Österreichs, das Salzburgisch-Tirolerische

 

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Bericht von: Dr. Michael Populorum, Chefredakteur DEEF;  Erstmals Online publiziert: 11. Dezember 2016; Ergänzungen: -

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Last modified  Sonntag, 11. Dezember 2016 08:36:19 +0100
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