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DEEF-Blog 2013:

Ein Tagesausflug nach Udine auf der "Pontebbana"

Autor: Dr. Michael Populorum, 4.8.2013

Vor einigen Jahren noch konnte man täglich von Salzburg Hbf. kurz nach 9 Uhr mit einem Kurswagen, der am IC Richtung Klagenfurt angehängt war und in Villach an den Zug von Wien umrangiert wurde, durch das Kanaltal auf der sogenannten "Pontebbana" (Kanaltalbahn) nach Italien fahren. Die alte Pontebbana, also die Bahnstrecke Tarvis-Udine, war ab 1879 durchgehend befahrbar.

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Im Jahr 2000 war die Neubau-Strecke, die von Tarvis bis Carnia fast ausschließlich im Tunnel verläuft, endlich fertig und die neue Strecke mit Höchstgeschwindigkeit 180 km/h verkürzte die Fahrzeit Tarvis bis nach Udine um ca. die Hälfte. Der EU und deren Füllhorn (auch von Österreich gefüttert) sei Dank. Doch man hat die Rechnung ohne die Italienische Staatsbahn Trenitalia gemacht. Statt einer weiteren Belebung des Internationalen Verkehrs brach der Personenverkehr auf der Schiene total zusammen, anstatt (überhöhte) Schienenmaut an die Italiener zu bezahlen verlagerte die ÖBB den Italienverkehr auf die sogenannten Intercity-Busse. Eine totale Chuzpe! Thörl Maglern und der neue Grenzbahnhof Tarvisio Boscoverde wurden von den ÖBB nicht mehr bedient.

Seit ca. 1 Jahr (genau 10. Juni 2012) verkehren wieder 2 tägliche Kurspaare (Zuggattung REX) auf der Strecke, aber nicht bedient durch die Staatsbahnen Trenitalia oder die ÖBB, sondern bei dieser Wiederaufnahme des grenzüberschreitenden (Regional-) Verkehrs handelt es sich um ein EU-Interreg 4 Projekt mit dem Namen MICOTRA (MIglioramento dei COllegamenti TRAnsfrontalieri di trasporto pubblico). Leadpartner ist die autonome Region Friaul-Julisch Venetien (Regione Autonoma Friuli-Venezia Giulia), Projektpartner sind das Land Kärnten, die ÖBB, der Kärntner Verkehrsverbund sowie die FUC (Ferrovie Udine Cividale).

Für einen Tagesausflug von Salzburg nach Udine muss man früh aufstehen, aber im Hochsommer bei Sonnenschein steht man ja gerne auf, vor allem wenn es gilt, erstmalig die neue Pontebbana in ihrer vollen Länge zu befahren. Mein letzter Besuch in Udine war Mitte/Ende der 1990er Jahre und da war die Strecke im Nordbereich inkl. dem neuen Bahnhof Tarvis noch nicht fertig, ich konnte also damals noch einen Teil der wildromantischen Strecke durch das Kanaltal geniessen.

Abfahrt 6.12 in Salzburg mit dem IC, in Villach dann eine gute Stunde Aufenthalt, die ich mit einer kleinen Jause am sonnigen Ufer der Drau überbrückte.

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Um 10.04 war es dann soweit, vom Hausbahnsteig setzte sich der Zug zur knapp 2-stündigen Fahrt nach Udine in Bewegung. Der vorhin erwähnte Partner des EU-Projektes FUC, der auch die namesgebende Bahnstrecke Udine-Cividale betreibt, stellte die Lok, die ÖBB das Wagenmaterial, welches aus 2 IC Großraumwagen, 1 Abteilwagen sowie einem Gepäck-/Packlwagen bestand. Bis zum Grenzbahnhof Tarvis (seit 2000 nicht mehr Tarvis/Tarvisio Centrale sondern Tarvis/Tarvisio Boscoverde) bestand das Zugpersonal aus 1 österreichischem Zugbegleiter sowie 1 österreichischem Lokführer. Ab Tarvis, wo wir fast 20 Minuten Aufenthalt hatten, verdoppelte sich die Anzahl des Personals, welches von da ab von der FUC gestellt wurde. Der Schaffner hatte noch eine junge "Dolmetscherin" mit dabei, eine Schaffnerin also mit Deutschkenntnissen.

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Abfahrbereit am Bahnsteig 1 in Villach

Der Zug, der nach Auskunft des Schaffners normal gut besucht ist, weil vor allem Radfahrer ihn bis Tarvis nutzen, von wo aus sie auf der alten Bahntrasse gen Süden rollen (Alpe Adria Radweg) um dann abends wieder mit dem Zug nach Hause zu fahren, der war wohl ob des heissen Wetters an diesem Hochsommertag eher weniger ausgelastet. Gleich nach dem Bahnhof Tarvis ging die "Tunnelorgie" mit der Einfahrt in den knapp über 1 km langen "Tarvistunnel" los. Von den 49 km bis Carnia (Neubaustrecke) verlaufen ca. 40 km im Tunnel. Der längste Tunnel der ca. 89 km langen Pontebbana (Tarvis-Udine) ist der Zuc-del-Bor-Tunnel mit 9.222 Metern Länge.

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Blick vom Bahnsteig Tarvis Boscoverde gegen den Tarvis-Tunnel - die Tunnelorgie kann beginnen

Trotz der 180 km/h Streckenhöchstgeschwindigkeit hatte ich das Gefühl, unser Zug fährt mit angezogener Handbremse. Angeblich gibt es auf dieser Neubaustrecke schon zahlreiche Langsamfahrstellen. Die meiste Zeit - so mein Eindruck - fuhren wir auf diesem Streckenteil bis Carnia mit ca. 100 km/h dahin. Manchmal rollten wir im Schrittempo dahin, so wie bei der zwischen 2 Tunnels gelegenen aber schon 2003 wieder geschlossenen Haltestelle Bagni Santa Caterina. In Pontafel (heute Pontebba), dem ehemaligen Grenzbahnhof Österreich-Ungarns zu Italien, wurde massiv an der Gleisinfrastruktur herumgewerkt, ein kräftiger Rückbau also genau wie er im Bereich Carnia nochmals zu beobachten war.

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Bis 1919 Grenzbahnhof - Pontafel (heute Pontebba)

Ab Carnia ging es auf der alten Trasse fast hurtiger voran als auf der Neubaustrecke. Zahlreich Einheimische nutzten den Zug als normale Verbindung zwischen den sonstigen Nahverkehrszügen der Trenitalia, die zwischen Udine und Carnia bzw. Gemona del Friuli meist im Stundentakt verkehren.

Die letzten knapp 5 Kilometer von der Betriebsstelle Vat (PM Vat) bis Udine verläuft die Pontebbana nach wie vor eingleisig. Um 11.58 erreichten wir pünktlich den Bahnhof von Udine, von dort gibt es gleich Anschlüsse nach Venedig oder nach Triest.

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Bis zur Rückfahrt um 17.17 Uhr hat man also gut 5 Stunden Zeit - ich entschied mich, nachdem ich einiges fotographiert hatte - darunter einen "Frecchiabianca" der Trenitalia - der "Hausstrecke" der FUC, der 1886 eröffneten Bahnlinie Udine - Cividale, einen Besuch abzustatten, war doch in der Wikipedia auch vermerkt, dass es sich bei Cividale um ein schmuckes Städtchen handelt wo man auch gut essen kann.

 

Die Fahrt mit dem alten nachträglich klimatisierten Dieseltriebwagen Marke Fiat verlief unspektakulär, der aus nur einem Wagen bestehende Triebwagen war sehr gut gefüllt.  Die Fahrt dauert ca. 20 Minuten für die 15 km.

 

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2 Fiattriebwägen der FUC im neuen Bahnhof von Cividale

 

Der  neue Bahnhof von Cividale (seit 2008) ist zwar innen klimatisiert, versprüht jedoch mit dem angebauten Busbahnhof eher Bunkeratmosphäre als irgendein Wohlgefühl. Ganz anders der ca. 100 m entfernt liegende alte Bahnhof, der menschliche Dimensionen und Harmonie zeigt und wo auch nach wie vor die gut gehende Bar lokalisiert ist.

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Der neue Beton/Glasbahnhof Cividale (seit 2008) und unten der alte Bahnhof

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Ob der grossen Hitze machte ich nur einen kurzen Stadtrundgang, nachdem ich vorab vergeblich nach Relikten der von Cividale ausgehenden aber schon in den 1930ern stillgelegten ehem. Militärbahn der Italiener an die Front des 1. Weltkriegs von Cividale nach Karfreit suchte.

 

Nach einem exzellenten "Frico" (überbackener Kartoffel-Käse-Auflauf, eine Spezialität der Gegend) in der Locanda Al Campanile, begleitet von gutem und vor allem gekühlten Weisswein von den Reben der Gegend, sowie einem Abstecher in der empfehlenswerten Bahnhofs-Bar ging es zurück nach Udine, wo ein ob der Hitze nur kurzer Stadtbummel durch Udine folgte.

 

Empfehlenswert die Bahnhofsbar in Udine, wo man auch Nudelgerichte und auch Pizza aus einem grossen Pizzaofen ordern kann. Leider ist der Bierpreis mit 4,40 für 0,4 l Perroni doch etwas heftig.

 

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Der Hauptbahnhof von Udine

Bei der Rückfahrt (Abfahrt Udine 17.17) war der letzte Grossraumwaggon trotz der deutlich höheren Anzahl an Fahrgästen im Vergleich zur Hinfahrt  versperrt. Auf meine Frage warum meinte die "Dolmetscherin" es sei wenig los. Erst als die Fahrgäste (hauptsächlich Fahrradtouristen) ab Gemona standen öffneten die italienischen Zugbegleiter den letzten Wagen - typisch südländisch wird sich mancher denken, ja nicht mehr arbeiten und gehen als unbedingt notwendig :-(

Pünktlich um 19.07 erreichen wir Villach Hbf., wo es dann wenige Minuten später gleich im IC weitergeht über die herrliche Tauernbahn zurück ins Salzburgische.

Fazit: Ein sehr schöner und interessanter Tagesausflug. Wünschenswert wäre ein Taktverdichtung. Ab Ende 2013 wird es auch wieder einen ÖBB Tageszug geben und es ist zu hoffen, dass man hinkünftig von Villach nach Tarvis und dann mit optimalen Anschlüssen weiter zumindest im 2-Stunden-Takt fahren kann.  Nota bene: Die Fenster sollen auch regelmässig geputzt werden, sie waren zum Teil ordentlich verstaubt!

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Bericht von: Dr. Michael Populorum, Chefredakteur DEEF;  Erstmals online publiziert: 4. August 2013; Ergänzungen:

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Last modified  Samstag, 02. Mai 2015 11:23:47 +0200
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