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DEEF-Blog 2013:

Eisenbahn und Denkmalschutz in Österreich - ein Jammer!

Autor: Dr. Michael Populorum, 13.3.2013

Angeblich ist Österreich ja eine Kulturnation und das offizielle Österreich betont dies ja bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit im In- und Ausland. Wobei dies ja zum Teil stimmen mag, aber wohl nur zum Teil, denn meist wird mit dem Prädikat Kulturnation von den offiziellen Stellen nur die sogenannte "Hochkultur" verstanden - man wirbt für Mozart und die Salzburger Festspiele, den Operball, das Neujahrskonzert und die Wiener Philharmoniker und mit den Wiener Sängerknaben. Vielleicht auch noch mit dem Musikantenstadl, dem Hansi Hinterseer und dem DJ Ötzi, aber die vermarkten sich ja ohnehin selbst. An die "Hochkultur" und an ein paar (peinliche) "Staatskünstler" wie den Blut- und Fäkalkünstler H. Nitsch fliessen die großen Ströme an Förderungen, dahinter sieht es oftmals zappenduster aus und immer mehr kleine Kultureinrichtungen vor allem am Lande kämpfen ums Überleben oder mussten schon zusperren.

Ähnliche  Tendenzen zur Fokussierung auf ausgewählte Bereiche des kulturen Erbes kann man beim Denkmalschutz in Österreich feststellen. Kirchen, Burgen und Schlösser, Bürgerhäuser bis hin zu unzähligen Bildstöcken umfaßt die Palette der geschützten Objekte in Österreich - und das ist gut so. Allerdings zeigt sich der Bereich technik-geschichtliche Denkmäler (Industriearchitektur etc.) bedauerlicherweise in Österreich deutlich unterrepräsentiert. Offensichtlich hat man bis dato noch nicht hinlänglich die Bedeutung dieser Objekte erkannt - nur wenn nicht bald die Erleuchtung naht dann sieht es zappenduster aus, dann gibt es kein Denkmal mehr diesbezüglich das geschützt werden kann.

Was ist eigentlich ein Denkmal? Und warum eigentlich Denkmalschutz?

Dazu gibt die Webseite des Österreichischen Bundesdenkmalamtes (BDA, www.bda.at) folgende Auskunft:

Was ist ein Denkmal?
Der Begriff "Denkmal" umfaßt ein weites Spektrum von Objekten, vom steinzeitlichen Gräberfeld bis zum Wohnbau der klassischen Moderne. Römerlager, Barockschloß, Wegkapelle und historischer Industriebau, Ortsensemble, Heiligenfigur und Münzfund.

Warum überhaupt Denkmalschutz?
Alte Bausubstanz ist eine nicht regenerierbare Ressource, die wesentlich zur Lebensqualität bewohnter Räume beiträgt. Wer sie zerstört, löscht den Geschichtsbezug einer Gesellschaft. Der österreichische Gesetzgeber hat sich entschieden, hier reglementierend einzugreifen, wobei festzuhalten ist, dass der denkmalgeschützte Anteil der Gesamtbaumasse in Österreich 2 % beträgt. Das ist im europäischen Vergleich ein sehr niedriger Wert.

Somit wird auch klar, daß Eisenbahneinrichtungen potentielle Kandidaten für eine Unterschutzstellung sind. Das können u.a. sein:

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Stations-/Bahnhofsgebäude (Aufnahmsgebäude)

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Wärterhäuschen

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Wohnhäuser der Bahnbediensteten

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Magazine und sonstige Nebengebäude

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Stellwerke, Sicherungseinrichtungen

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Brücken

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Viadukte

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Tunnel (-Portale)

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Hektometersteine

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Ganze Strecken bzw. Teile davon mit Ensembleschutz

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Mobiles Kulturerbe (Lokomotiven, Triebwägen, Waggons)

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Aussen wie innen eines Kaisers würdig - das unter Denkmalschutz stehende Aufnahmsgebäude in Badgastein

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Betrachtet man die Vorgehensweise der Österreichischen Staatsbahn ÖBB (heute ÖBB Infrastruktur AG) beim Umbau von Bahnhöfen oder Strecken so kann einem wahrlich das Grausen kommen. Von einem Bewußtsein zur Bewahrung oder gar Sanierung von technik-geschichtlichen wertvollen Objekten keine Spur - stattdessen sind nicht erst seit kurzem (aber seit kurzem umso brutaler) folgende "Kulturschändungen" zu beobachten:

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Bahnhofsumbauten erfolgen oft wenig sensibel,  Bahnhöfe z.T. aus der Gründerzeit werden verstümmelt oder mit Brettern vernagelt, während die Kundschaft in billige Glaskobeln delogiert wird. Bahnhöfe für Computer- und Schaltschränke, wenn interessiert schon die zahlende Kundschaft. Bahnhöfe - selbst unter Denkmalschutz gestellte - werden sogar abgerissen, nachdem vorher massiv und nachhaltig bei Gerichten interveniert wurde (letztes Beispiel 2012 die beiden denkmalgeschützten Bahnhöfe in Patsch an der Brennerbahn)

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Wärterhäuschen entlang der Strecke werden ohne betriebliche Notwendigkeit abgerissen so nach dem Motto: Was nicht mehr ist kann auch keine Kosten mehr verursachen

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Alte historische Brücken und Viadukte aus der Entstehungszeit werden - ohne an eine ggf. anderwärtige Nutzung zu denken - schnellstmöglich beseitigt.  So wurde bei den Brücken- und Tunnel-Neubauten auf der Tauernbahn nach dem Motto der "verbrannten Erde" vorgegangen. Eine Alternativnutzung als Wanderweg oder Radweg - wie bspw. in Südtirol gang und gebe und auf der Tauernnordrampe auch seitens der Touristiker gewünscht - wurde nicht in Erwägung gezogen  nach dem gleichen Motto wie vorhin genannt: Was nicht mehr ist kann auch keine Kosten mehr verursachen. Achtung: Hier droht auf der Tauernnordrampe der nächste Kulturfrevel: Die grandiose stählernde Angertalbrücke wurde von 2010 auf 2012 urplötzlich und in aller Stille aus dem Denkmalschutz genommen. Wie mir das Bundesdenkmalamt auf Nachfrage mitteilte auf massiven Druck der ÖBB via Oberstem Gerichtshof. Eine Schande!

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Rettet die "Letzte ihrer Art" - die grandiose Angertalbrücke an der Tauernbahn Nordrampe ist in Gefahr!
(rechts schon die neue Betonbrücke)

 

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Bei Arbeiten an der Trasse werden die alten Hektometersteine tw. demoliert und wie billiger Bauschutt entsorgt - ist das einer Kulturnation würdig?

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Und vom mobilen Kulturerbe ist - zumindest auf staatlicher Seite - nicht mehr viel übrig. Verrostet, verludert und verscherbelt, so könnte man den Status des historischen Erbes beschreiben.

Empfehlungen / Forderungen:

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Hinkünftig ist zu hoffen und ggf. auch einzufordern, daß auf den Erhalt von technisch-geschichtlichen Objekten wie den Eisenbahnbauten in Österreich mehr Wert seitens des Denkmalamtes und der Politik gelegt wird. Nachdem man auch in Südtirol (seitens der Staatsbahn) massiv gesündigt hatte, nimmt sich das Land Südtirol derzeit deutlich mehr um den Erhalt und die Renovierung von Eisenbahnbauten an. Bestes Beispiel ist die Unterschutzstellung und liebevolle Restaurierung der Stationsgebäude entlang der Vinschgerbahn

Aufzählung

Auch bei der Staatsbahn ÖBB ist auf eine Besserung in der Bewußtseinsbildung diesbezüglich zu hoffen. Notfalls mit mehr Druck und Unnachgiebigkeit seitens des Denkmalamtes sowie der Politik. Mit der Politik der verbrannten Erde und Kulturfrevel an unserem historischen Erbe muß endlich Schluss sein!

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Eisenbahnhistorisches Kulturgut muss proaktiv! unter Schutz gestellt werden. Bspw. die teilweise noch unverdorben erhaltenen Bahnhöfe entlang der Salzkammergutbahn (Langwies, Bad Ischl, Goisern Jodschwefelbad, Bad Goisern, Obertraun, Bad Mitterndorf etc.) unter Ensembleschutz gestellt werden

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Noch gibt es diese herrlichen Aufnahmsgebäude entlang der Salzkammergutbahn wie hier in Bad Goisern.
Sie gehören unverzüglich unter Schutz gestellt!

 

Aufzählung

Auch sind die Bürger unseres Landes aufgefordert, sich mehr um den Schutz und die Pflege von historischen Gebäuden in ihrer Umgebung zu kümmern - denn sonst gibt es bald einmal ein böses Erwachen!

>>> Hiobsbotschaft: Grandiose Angertalbrücke zum Abschuß freigegeben?!  >>>

Links:

 

Hiobsbotschaft: Grandiose Angertalbrücke (Angerschluchtbrücke) an der Tauernbahn in Gefahr >>>

Eisenbahndenkmäler im Bundesland Salzburg (Liste BDA) >>>

 

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Bericht von: Dr. Michael Populorum, Chefredakteur DEEF;  Erstmals online publiziert: 13. März 2013; Ergänzungen: :

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Last modified  Samstag, 02. Mai 2015 11:23:46 +0200
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