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DEEF-Blog 2012: Wider die Vernunft - Stattplanung statt Stadtplanung in Salzburg

Autor: Dr. Michael Populorum, 9.8.2012

Heute donnerstags war ich wie so oft vormittags auf der Schranne, nicht um mich nur visuell an den prachtvollen regionalen Produkten zu delektieren, wie dies vornehmlich zahlreiche auswärtige Touristen taten, sondern um wie gewohnt einzukaufen. Ein Gewurrle war das, sagenhaft, kaum zum Vorwärtskommen, ein Stau in allen Richtungen, wobei durch mitten im Gehweg aufgestellte Preisschilder bei den Fleischern ein zusätzliches Nadelöhr gegeben war.

Aber der Stau auf der Schranne war nur ein Lercherlschas im Vergleich zu dem, was ich auf dem Heimweg miterleben, nein miterleiden mußte. Am Weg nachhause in meinen Adlerhorst schaute ich natürlich noch beim Fingerlos vorbei, von der Champagnertorte kann ich wahrlich nicht genug kriegen. Die Kreuzung vorm Fingerlos war in völligem Chaos versunken, alles stand, stinkte, lärmte, hupte und zahlreiche Autisten in ihren Blechkäfigen auf Rädern schienen nahe am Durchdrehen. Das Gestaue, Gestank usw. setzte sich in der Rainerstrasse fort und rund um meinen Adlerhorst am Gebirgsjägerplatz und der Kreuzung an der St. Julienstrasse, wo just zur Hochsaison die Strasse aufgerissen wird waren wiederum massenhaft Autisten in ihren Blechkäfigen am Rande des nervlichen Zusammenbruchs zu beobachten.

Stau Salzburg Stadt / DEEF Dr. Michael Populorum 2012

Auf einmal geriet auch ich in Wut ob dieses Versagens der Stattplanung in der Stattpolitik. Muß man sich das tagtäglich gefallen lassen daß durch die Inkompetenz, Gleichgültigkeit und das Machtstreben der Politiker mein Lebensraum verpestet und meine Lebensqualität geschmälert wird??! Nein dachte ich und schwor mir, diesem Schwachsinn in dieser Schilda-Stadt Salzburg, wo anstelle Stadtplanung immer nur Stattplanung (frei nach Peter Weichhart) passiert ab jetzt deutlich entschlossener entgegenzutreten. Da ich ja mit keiner Partei verbandelt bin und auch niemals war und ich keiner Partei was schulde, kann ich umso befreiter loslegen. Ach ja, in der Wirtschaftskammer bin ich Mitglied, aber ich bin Zwangsmitglied und das zählt ja dann nicht.

Apropos Kammer, die Kämmerer haben ja wahrlich den Vogel abgeschossen, als sie gemeinsam mit der Autofahrerpartei der Stadt, der ÖVP mit ihrem Fahrschullehrer und Vizebürgermeister an der Spitze, vor kurzem eine durch fachliche Inkompetenz geprägte und vor allem niveaulose Kampagne starteten, sich als die Beschützer der armen vom Ruin bedrohten Innenstadtkaufleute aufspielten und gegen die von der Mehrheit der Stadtregierung beschlossenen geringfügigen Verkehrsberuhigungen auf peinlichste und dem Ruf der Stadt schädigende Art und Weise ihre Torpedos in verbaler und graphischer Form abschossen. In allen Medien - sicher auch in den Heimatgebieter unserer geldbringenden Touristen - war von Absperrung der Stadt ("Innenstadt-Sperre") die Rede, auf Plakaten mit Trauerrand wurde die Stadt sogar als "Todeszone" betitelt (=herbeigeredet) und von den handelnden Politikern Bürgermeister Schaden und Planungsstadtrat Padutsch sind wie im Wilden Westen "Steckbriefe" in manchen Auslagen der Kaufleute zu finden ("Altstadtsperre für Politiker" so der Slogan). Diese unseriösen Aktivitäten knüpfen ja nahtlos an die fachlich unfundierten Forderungen nach einer Quasistadtautobahn (Stichwort Kapuzinerbergtunnel) an, die vor knapp 2 Monaten die Gemüter in der Stadt erhitzt haben.

Ehrlich gesagt, auch die angesprochenen politischen Proponenten der "Innenstadtsperre" (eigentlich eine geringfügige und zeitlich um die Mittagszeit von 10 bis 15 Uhr eingeschränkte verkehrsberuhigende Massnahme und keinesfalls eine Sperre der Stadt), Schaden und Padutsch, sind mir in vielen Aktionen der vergangenen Jahre, nein schon Jahrzehnte, oftmals als Stattplaner und nicht als Stadtplaner negativ aufgefallen. Aber in diesem Kontext sind sie am richtigen Weg, auch wenn die Umsetzung und vor allem die Kommunikation alles andere als professionell zu bezeichnen sind. Aber daran kann gefeilt werden, muß gefeilt werden und man muß dauerhafte Lösungen andenken und auch umsetzen. Auch wenn wie in diesem Fall "die ewig Gestrigen" ob parteipolitischem Kalkül, Unwissenheit oder Geltungsdrang justament dagegen sein sollten, man muß im Sinne der hier lebenden Bürger und deren Lebensqualität endlich nachhaltige, zukunftssichere Lösungen andenken und dann gemeinsam umsetzen. Weg von der Hohruck-Politik, dem permanenten Durchwursteln und dem tagtäglichen Trouble-Shooting zu einer koordinierten und von allen Seiten gemeinsam getragenen Politik im Sinne der Bewohner der Stadt Salzburg.

Stau Salzburg Stadt / DEEF Dr. Michael Populorum 2012

Der Verkehr ist ein Problemfeld in der Stadt Salzburg, aber beileibe nicht das einzige. Um eine Frage - die ich bis dato nie gestellt und somit auch nie beantwortet fand - wird man nicht herumkönnen, nämlich:

Wieviele Einwohner verträgt die Stadt Salzburg, der Großraum/Zentralraum Salzburg überhaupt?!? Wieviele Einwohner soll/kann/darf die Stadt Salzburg im Jahre 2020/2030.. überhaupt haben?

Diese Frage muß gemeinsam mit allen Beteiligten (=in der Stadt Salzburg lebenden Bewohnern) ehrlich, fair und transparent geführt werden. Als oberstes Gebot dabei hat die Lebensqualität der hier ansässigen Bevölkerung zu gelten, alles andere ist zweitrangig. Und wenn man sich bspw. auf ca. 150.000 Einwohner festlegt (was ich goutieren würde) dann ist einfach bei dieser Zahl Schluß - es kann eben nicht sein, daß jeder dem es plötzlich einfällt nach Salzburg zu ziehen, auch hier ein Anrecht auf ein Haus oder eine Wohnung oder auf "Asyl" hat. Es ist wie bei einem Schiff, wenn es zuvoll beladen wird dann kriegt es Schlagseite und kentert schlußendlich und reißt unbarmherzig die armen Seelen hinab in die Tiefe.

Ich weiß schon, Politiker und nicht nur sie denken vorwiegend quantitativ (je mehr, je grösser die Anzahl desto besser), aber man muß sie lehren endlich qualitativ zu denken (je höher die Qualität umso besser). Als Geograph und vernetzt denkender Mensch ist mir das von jeher klar gewesen, aber entweder ist unseren Volksvertretern, unseren Lenkern das ob einer beschränkten Sichtweise nicht klar oder sie verfolgen wissentlich Ziele in eigener Regie. In beiden Fällen muß man unsere Volksvertreter an der Hand nehmen oder wenn es sein muß auch an den Ohren ziehen, sie deutlich darauf hinweisen, daß sie Diener des Volkes zu sein haben und nicht Selbstzweck sind.

Wachstum ja, aber qualitativ und nicht mehr quantitativ - ich kann es schon nicht mehr hören wenn es wieder heißt "dort muß noch nachverdichtet werden und dort kommt wieder ein (Sozial-) Wohnblock hin" - und wiederum sind ein paar Hektar Grünland pro Jahr zubetoniert und schmälern in Summe die Lebensqualität aller Bürger dieser Stadt. Dabei hinkt die Stadt Salzburg eh schon seit Jahren in der Qualität öffentlicher Einrichtungen anderen vergleichbaren Städten wie Linz oder Innsbruck hinterher, wenn ich da bspw. nur an Sportstätten oder Schwimmbäder (Stichwort "Spaßbad") denke, hier besteht dringenden Nachholbedarf und nicht im uferlosen Verbauen des letzten freien Grundstücks.

Die gemeinsam erarbeiteten Visionen und Ziele und die zur Erreichung notwendigen Maßnahmenbündel samt Erfolgskontrolle für eine nachhaltige Lebensqualität in dieser Stadt müssen verbindlich mit einem Zeitplan versehen in einem Masterplan festgeschrieben werden. Nur dadurch ist sichergestellt, daß bei Veränderungen in der politischen Landschaft oder einem plötzlichen Gesinnungswandel der Volksvertreter oder Druck einflußreicher Cliquen in der Stadt (Kammern, Kaufmannschaften..) nicht plötzlich wieder der Kurs geändert wird und bspw. wieder der Mammon im Fokus steht und nicht die Lebensqualität der Bevölkerung. Um auf Kurs zu bleiben mit dem Masterplan sollte man sich am "Governance-Rad" festhalten.

Aber nochmals zurück zum Auslöser meiner Wut, dem Stau rundum und der Realitätsverweigerung mancher Gruppierungen in der Stadt, die nach wie vor "Freie Fahrt für freie Bürger" propagieren und jammern, wenn weniger Autos die Stadt verstopfen. Eine Frage: Wer kauft eigentlich ein? Die Autos oder die Menschen? Ich würde sagen die Menschen kaufen ein und die wissen es auch schon von anderen Städten her zu schätzen, wenn sie beim Einkauf flanieren können und nicht bei An- und Abreise im Stau stehen müssen und dann noch mit Lärm und Abgasen geplagt werden. Und: Konnte man bisher in der Griesgasse oder anderen Strassen der Altstadt einfach sein Auto abstellen? Nein konnte man nicht, man mußte Parkplatzsuchen und dann dafür (wenngleich auch im internationalen Vergleich noch viel zu wenig) zahlen.

Die zahlreichen Leserbriefe in der Zeitung und online zeigen zum Glück, daß die Mehrheit der Schreiber sowohl aus dem Inland wie Ausland kein Verständnis für das Gejammere haben und es zu schätzen wissen, daß sie nun stressfreier in die Stadt kommen und sich in der Stadt freier und gesünder fortbewegen und aufhalten können.

Beruflich war ich die letzte Woche öfter am Salzburg Airport tätig. Bei der Rückreise mit dem Obus fragte mich an der Haltestelle eine Hostess ob ich ein Park & Ride Ticket brauche. Sie erklärte mir dann, daß der Parkplatz am Salzburg Airport für 24 Stunden inklusive einer Netzkarte für Obus und Autobus für bis zu 5 Personen 10.- Euro koste - also bitte, wer so ein tolles Angebot nicht nutzt und in die Stadt hineinstauen möchte dem ist wohl nicht mehr zu helfen. Nur beworben gehört das Angebot natürlich noch besser.

Fazit: Es ist an der Zeit, daß gehandelt wird. Es kann nicht sein, daß die Bevölkerung tagtäglich durch Lärm und höchstgiftige Abgase (Dieselruß=Asbest) in ihrer Lebensqualität beeinträchtig wird und einer latenten Gesundheitsgefährdung ausgesetzt wird. Nicht die autogerechte Stadt sondern die menschengerechte Stadt muß das Ziel sein, und dazu bedarf es schleunigst ein entschlossenes nachhaltiges Handeln:

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Einschränkung bzw. Unterbindung des Individualverkehrs in der Innenstadt wie jetzt im Probegalopp vorexerziert, allerdings ganzjährig und deutlich ausgedehnt bis hin zu einer Citymaut für Unbelehrbare, die die Stadt als Durchzugsroute wählen

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Drastische Verteuerung des Parkens in der Innenstadt (das Parken ist in Salzburg viel zu billig im internationalen Vergleich)

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Adäquate (moderne)  Park & Ride Anlagen am Stadtrand mit kostengünstigen Kombitickets Parken + Netzkarte öffentlicher Verkehr (>hier gibt es Nachholbedarf)

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Optimale Anbindung P&R Anlagen und Öffentlicher Verkehr

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Rigoroser Vorrang für den öffentlichen Verkehr

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Ausbau des Öffentlichen Verkehrs, dabei nicht kleckern sondern klotzen, dh. rasche Umsetzung des Regional-Stadtbahn Konzeptes, das seit Jahren fix fertig in der Schublade liegt, im Grunde von allen politischen Lagern goutiert wird aber kein Politiker den Mumm hat, die Themenführerschaft dabei zu übernehmen. Ansagen wie "das ist nicht finanzierbar" zeugen von wenig Klasse und sind nur Ausreden

Literatur/Linktip: Weichhart, Peter, 1995: Die "regio salisburgensis" oder: "Statt-Planung" in Salzburg. - In: A. KYRER, Hrsg., Politische Kultur in Salzburg oder: Der Mozartkugel fressende goldene Eier legende Woll-Milch-Stier, der keinen Mist macht! - Salzburg, S. 21-35. >>> http://homepage.univie.ac.at/peter.weichhart/Homepage/WeichhartRegio.pdf

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Bericht von: Dr. Michael Populorum, Chefredakteur DEEF;  Erstmals online publiziert: 9. August 2012; Ergänzungen: :

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